Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele: Ein Kompass für unsere gemeinsame Zukunft
Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele: Ein Kompass für unsere gemeinsame Zukunft

Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele: Ein Kompass für unsere gemeinsame Zukunft

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Agenda 2030 – historischen Paradigmenwechsel

Im September 2015 geschah etwas Bemerkenswertes: 193 Staaten der Vereinten Nationen versammelten sich und einigten sich einstimmig auf einen gemeinsamen Plan für die Zukunft unseres Planeten. Die daraus resultierende „Agenda 2030” mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung stellt den bislang umfassendsten Versuch dar, die drängendsten Herausforderungen der Menschheit koordiniert anzugehen – von extremer Armut bis hin zum Klimawandel. Doch woher kommen diese Ziele? Warum ausgerechnet 17? Und was bedeuten sie für eine nachhaltige Zukunft?

Die Entstehung einer globalen Vision

Die Geschichte der Nachhaltigkeitsziele beginnt nicht im Jahr 2015, sondern fast ein halbes Jahrhundert früher. Im Jahr 1972 erschütterte der Club of Rome mit seinem Bericht „Die Grenzen des Wachstums” eine grundlegende Überzeugung: die Idee des unbegrenzten wirtschaftlichen Wachstums auf einem endlichen Planeten. Die Studie markierte eine intellektuelle Zäsur und löste erstmals eine kritische Reflexion über die Folgen der industriellen Produktion aus.

Der Brundtland-Moment

Die entscheidende Weichenstellung erfolgte im Jahr 1987, als die von der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland geleitete UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung die bis heute maßgebliche Definition nachhaltiger Entwicklung formulierte:

Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.” (Gro Harlem Brundtland)

Aufbauend auf den wachsenden Bedenken beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 1983 die Einsetzung der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development, WCED). Den Vorsitz hatte die ehemalige norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland. Die Kommission erarbeitete den 1987 veröffentlichten Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ (Our Common Future). Diese Definition von Nachhaltigkeit war revolutionär, weil sie drei zuvor getrennt betrachtete Dimensionen als untrennbare Einheit definierte: die Bekämpfung von Armut, die Herstellung internationaler Gerechtigkeit und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Der Brundtland-Bericht argumentierte überzeugend, dass Umweltprobleme nicht isoliert von Weltarmut und internationaler Ungleichheit betrachtet werden können.

Von Rio nach New York: Die Agenda 21 als Wegbereiter (2012-2015)

Im Jahr 1992 übersetzte die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro das Nachhaltigkeitskonzept in ein konkretes Handlungsprogramm für das 21. Jahrhundert: die Agenda 21. Darin wurden bereits die zentralen Herausforderungen mit großer Klarheit diagnostiziert: zunehmende Ungleichheit zwischen Völkern und innerhalb von Völkern, eine immer größere Armut, immer mehr Hunger, Krankheit und Analphabetentum sowie eine fortschreitende Schädigung der Ökosysteme.

Der eigentliche Prozess zur Entwicklung der SDGs begann im Juni 2012 auf der Rio+20-Konferenz, als die UN-Mitgliedsstaaten den Beschluss fassten, einen neuen Rahmen für nachhaltige Entwicklung zu schaffen, der wirtschaftliche, soziale und ökologische Dimensionen integriert. Eine Open Working Group, der 70 Länder – darunter Deutschland – angehörten, verhandelte zwischen 2013 und 2014 intensiv und präsentierte im Juni 2014 einen Vorschlag mit 17 Zielen und 169 Unterzielen. Damit schuf die Konferenz von Rio die strukturellen und inhaltlichen Grundlagen für die später noch umfassendere Agenda 2030.

Pariser Abkommen (2015) – Der Weg zu einer gemeinsamen Agenda 2030

Man hatte also erkannt, dass sich die Welt auf einem „Kollisionskurs” (Max-Neef) befindet. Im September 2015 verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in New York die Agenda 2030. Die SDGs bilden das Kernstück dieser Agenda für nachhaltige Entwicklung und stellen einen umfassenden Weltzukunftsvertrag der Vereinten Nationen dar. Ihr übergeordnetes Ziel besteht darin, bis zum Jahr 2030 Hunger und Armut weltweit zu beseitigen. Es ist nicht nur Aufgabe staatlicher Institutionen, daran zu arbeiten, dass die UN-Staaten diese Ziele erreichen, sondern auch Unternehmen sind im Rahmen ihrer CSR dafür verantwortlich.

Die revolutionäre Natur der 17 Ziele

Die Zahl 17 ist das Ergebnis eines politischen Balanceakts. Die Verhandlungsgruppe musste einen Kompromiss zwischen thematischer Breite und praktischer Umsetzbarkeit finden: Einerseits sollte die Vielschichtigkeit globaler Herausforderungen abgebildet werden, andererseits durfte die Agenda durch zu viele Ziele nicht unübersichtlich werden.

Die 17 SDGs repräsentieren die Zusammenführung verschiedener Agenden – Entwicklung, Umwelt, Menschenrechte, Frieden und Governance – in einem universellen Rahmen, der für alle Länder gilt. Im Unterschied zu den acht Millenniumsentwicklungszielen (MDGs), die sich primär auf Entwicklungsländer konzentrierten, sollten nun alle 193 UN-Mitgliedstaaten Verantwortung übernehmen.

Die Architektur der Nachhaltigkeit

Die 17 Ziele sind nach den sogenannten “5 Ps” strukturiert, die den unteilbaren und integrierten Charakter der Nachhaltigkeit verdeutlichen:

Kategorie (5 Ps)Fokus der SDGs
People (SDG 1 – SDG 6)Eine Welt ohne Hunger und Armut, in der alle Menschen Würde und Gleichheit erfahren. Wir sind entschlossen, Armut und Hunger in all ihren Formen und Dimensionen zu beenden und sicherzustellen, dass alle Menschen ihr Potenzial in Würde und Gleichheit sowie in einer gesunden Umwelt voll entfalten können. Diese Ziele konzentrieren sich auf die Grundbedürfnisse und die Gerechtigkeit für alle Menschen.
Planet (SDG 7 – SDG 14)Schutz des Planeten, Respektierung der planetaren Grenzen: Der Schutz des Planeten vor Schädigung durch nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen, eine nachhaltige Bewirtschaftung seiner natürlichen Ressourcen und umgehende Maßnahmen gegen den Klimawandel, damit die Erde die Bedürfnisse der heutigen und der kommenden Generationen decken kann.
Prosperity (SDG 7 – SDG 14)Sicherstellung von Wohlstand für alle: Sicherstellung, dass alle Menschen ein von Wohlstand geprägtes und erfülltes Leben führen können und wirtschaftlicher, sozialer und technologischer Fortschritt im Einklang mit der Natur erfolgt.
Peace (SDG 16 – SDG 17)Die Förderung friedlicher, gerechter und inklusiver Gesellschaften, die frei von Furcht und Gewalt sind. Denn ohne Frieden kann es keine nachhaltige Entwicklung geben und ohne nachhaltige Entwicklung keinen Frieden.
Partnership (SDG 16 – SDG 17)Stärkung der globalen Partnerschaft zur Erreichung der Ziele. Die Umsetzung dieser Agenda erfordert die Mobilisierung von Mitteln. Diese werden durch eine globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung bereitgestellt, die auf einem Geist verstärkter globaler Solidarität gründet.

Die 17 Nachhaltigkeitsziele im Überblick

Überblick der einzelnen Ziele: https://17ziele.de/

Menschen im Zentrum: Die ersten sechs Ziele legen das Fundament für menschliche Würde. SDG 1 fordert die Beseitigung extremer Armut – Menschen, die von weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag leben. SDG 2 geht über Hungervermeidung hinaus und fordert Ernährungssicherheit durch nachhaltige Landwirtschaft. SDG 3 zielt auf universelle Gesundheitsversorgung für alle Altersgruppen. SDG 4 erweitert Bildung über Grundschulbildung hinaus und fordert explizit Bildung für nachhaltige Entwicklung. SDG 5 adressiert alle Formen von Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen. SDG 6 sichert Zugang zu sauberem Wasser und Sanitärversorgung als essenzielle Grundlage für Gesundheit und Würde

Wohlstand und planetare Grenzen: Die mittleren Ziele balancieren wirtschaftliche Entwicklung mit ökologischer Verantwortung. SDG 7 fokussiert auf bezahlbare, erneuerbare Energie. SDG 8 fordert die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltzerstörung sowie die Bekämpfung von Zwangs- und Kinderarbeit. SDG 9 betont belastbare Infrastruktur als Grundlage für wirtschaftliche Entwicklung. SDG 10 adressiert Einkommensungleichheit und Diskriminierung innerhalb von und zwischen Staaten. SDG 11 erkennt die zentrale Bedeutung nachhaltiger Stadtentwicklung angesichts zunehmender Urbanisierung. SDG 12 fordert Ressourceneffizienz und die Verantwortung von Produzenten und Konsumenten für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster. SDG 13 betont die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen. SDG 14 und 15 schützen marine und terrestrische Ökosysteme, bekämpfen Überfischung, Wüstenbildung und Biodiversitätsverlust.

Frieden und globale Partnerschaft: Die letzten beiden Ziele bilden das Gerüst für Umsetzung. SDG 16 war besonders umstritten, da es politisch sensible Themen wie Korruption, Rechtsstaatlichkeit und Zugang zur Justiz adressiert. SDG 17 ist das entscheidende Querschnittsziel, das die Grundlage für alle anderen Ziele bildet. Es umfasst die Mobilisierung finanzieller Ressourcen, Technologieaustausch, Kapazitätsaufbau und internationale Zusammenarbeit zwischen öffentlichem Sektor, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft. UN-Generalsekretär António Guterres fordert jährlich mindestens 500 Milliarden US-Dollar zusätzliche Investitionen zur Umsetzung der Agenda 2030.

SDGs, ein Navigationssystem für Nachhaltigkeit

Die 17 SDGs funktionieren wie ein globales Navigationssystem. Im Unterschied zu den MDGs, die sich primär auf die Bekämpfung von Armut konzentrierten, umfasst dieses System nun 17 entscheidende Koordinaten. Diese Koordinaten sind nicht unabhängig voneinander, sondern wie Schichten miteinander verbunden. Die ökologischen Ziele bilden die Basis, auf der die sozialen Ziele ruhen. Diese wiederum ermöglichen die wirtschaftlichen Ziele.

Das Stockholm Resilience Centre hat eine Darstellung mit dem Titel „The SDGs wedding cake” entwickelt, um die Komplexität und Vernetzung der Ziele zu verdeutlichen.

Die 17 Ziele sind in 169 Unterziele (Targets) untergliedert. Diese definieren konkrete Maßnahmen und Zielvorgaben. Diese werden durch 231 Indikatoren messbar gemacht. Die Ziele sind universell, unteilbar und bedingen einander: Fortschritte in einem Bereich beeinflussen andere Ziele. Diese Interdependenzen machen die SDGs zu einem komplexen, aber ganzheitlichen Rahmenwerk für eine globale nachhaltige Entwicklung.

Die SDGs erkennen an, dass Nachhaltigkeit unteilbar ist. So kann man beispielsweise nicht Wirtschaftswachstum anstreben und den Umweltschutz ignorieren. Man kann nicht Frieden fördern, ohne soziale Gerechtigkeit herzustellen. Und man kann nicht Armut bekämpfen, ohne den Planeten zu schützen. Die 17 Ziele verdeutlichen, dass die drei Nachhaltigkeitsdimensionen – Ökologie, Ökonomie und Soziales – gleichberechtigt berücksichtigt werden müssen.

Ein Kompass. Keine Utopie.

Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele sind keine utopische Wunschliste, sondern ein Kompass, der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und jahrzehntelanger politischer Erfahrung basiert. Sie sind das Ergebnis einer intellektuellen und politischen Entwicklung von den ersten wissenschaftlichen Warnungen vor den Grenzen des Wachstums über die Formulierung eines globalen Leitbildes bis hin zum mühsam errungenen Konsens von 193 Staaten.