Jahrzehntelang galten Emotionen am Arbeitsplatz als unerwünscht, ja sogar als Schwäche. In einer von Effizienz, Rationalität und Professionalität geprägten Arbeitskultur hatten Gefühle wie Freude, Angst oder Ärger keinen Platz. Sie galten als Störfaktoren, die die Objektivität trübten und die Produktivität gefährdeten. Diese Haltung wurzelte in traditionellen Führungsmodellen, die Hierarchie und Kontrolle über Kooperation und Empathie stellten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten funktionieren wie Maschinen – emotionslos, berechenbar und stets konzentriert. Doch die moderne Arbeitswelt zeigt: Emotionen sind keine Schwäche, sondern eine Ressource, die Teams stärken und Innovationen fördern kann.
Emotionale Intelligenz (EQ) wird in der modernen Arbeitswelt immer wichtiger. Sie befähigt uns, unsere Emotionen zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Diese Fähigkeit wird in der New Work-Welt immer wichtiger, da agile Arbeitsmethoden und neue Führungsansätze neue Herangehensweisen erfordern.
Was ist Emotionale Intelligenz (EQ)?
Emotionale Intelligenz beschreibt die Fähigkeit, eigene und fremde Emotionen wahrzunehmen, zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Der Begriff wurde 1990 von John D. Mayer und Peter Salovey eingeführt. Populär wurde der Begriff durch Daniel Goleman mit seinem Buch Emotionale Intelligenz aus dem Jahr 2005. Aus seiner Sicht ist der EQ oft wichtiger ist als der klassische Intelligenzquotient (IQ), da dieser als weitgehend statisch gilt, während der EQ durch Übung verbessert werden kann.
Goleman zeigt in seinem Buch, wie Emotionen unser Denken und Handeln steuern: beim Lernen aus Erfahrungen, beim Erkennen sozialer Signale oder beim schnellen Reagieren in kritischen Situationen. Studien belegen, dass Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz erfolgreicher in Teams arbeiten, bessere Entscheidungen treffen und belastbarer sind. Gleichzeitig warnt er: Übermäßige Emotionen können das Urteilsvermögen trüben und zu impulsiven Fehlern führen. Doch wie genau funktioniert emotionale Intelligenz, und warum ist sie für moderne Unternehmen unverzichtbar? Auch darauf gibt uns Goleman mit den fünf Dimensionen emotionaler Intelligenz Antworten.
Die fünf Dimensionen der Emotionalen Intelligenz
Goleman beschreibt emotionale Intelligenz als ein Zusammenspiel von fünf zentralen Fähigkeiten:
- Selbstwahrnehmung – Die Fähigkeit, die eigene Gefühle zu erkennen und zu verstehen. Wer sich seiner Gefühle bewusst ist, kann sie gezielt steuern, anstatt sich von ihnen überwältigen zu lassen.
- Selbstregulation – Die Kunst, impulsive Reaktionen zu kontrollieren. Statt überstürzt zu handeln, ermöglicht Selbstregulation überlegte Entscheidungen.
- Motivation – Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz sind oft intrinsisch motiviert. Sie setzen sich Ziele, bleiben fokussiert und lassen sich von kurzfristigen Rückschlägen nicht entmutigen.
- Soziale Wahrnehmung (Empathie) – Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Empathische Führungskräfte und Teammitglieder erkennen Bedürfnisse, lösen Konflikte konstruktiver und stärken die Zusammenarbeit.
- Soziale Kompetenz (Beziehungsmanagement)- Wer gut mit anderen umgehen kann, ist in der Lage Teams zu motivieren, Beziehungen aufzubauen und effektiv zu kommunizieren.

Diese fünf Fähigkeiten ermöglichen es, in flexiblen und dynamischen Arbeitsumgebungen erfolgreich zu agieren. Gerade in Zeiten flacher Hierarchien und verstärkter Zusammenarbeit wird EQ zu einer unverzichtbaren Ressource.
Warum Unternehmen auf emotionale Intelligenz setzen sollten
Moderne Organisationen stehen vor der Herausforderung, dass New Work mehr Eigenverantwortung erfordert und gleichzeitig die Teamarbeit intensiviert. Emotionale Intelligenz (EQ) spielt dabei als „Soft Skill“ eine zentrale Rolle in dieser modernen Arbeitswelt. Sie unterstützt Unternehmen und Teams auf vielfältige Weise bei der Bewältigung individueller und kollektiver Herausforderungen. Im Folgenden werden einige wichtige Ansätze vorgestellt und anschließen vertieft. Schauen wir uns Vorteil von Emotionaler Intelligenz für Unternehmen einmal an.

1. Um Selbstorganisierte Strukturen zu fördern
Der Übergang von hierarchischen zu flexiblen und selbstorganisierten Arbeitsformen wird durch emotionale Intelligenz erleichtert. Ohne zentrale Kontrollinstanz müssen die Mitarbeitenden ihre Emotionen reflektieren, sich selbst steuern und ihre Motivation eigenständig aufrechterhalten. EQ befähigt sie, Verantwortung zu übernehmen und effektiv zu handeln.
2. Um eine offene Kommunikationskultur zu schaffen
In Unternehmen, die psychologische Sicherheit bieten, können Mitarbeitende Ideen einbringen und ehrliches Feedback geben. Dies gelingt jedoch nur, wenn Teams empathisch miteinander umgehen und soziale Signale – wie Körpersprache oder Tonfall – richtig deuten. Emotionale Intelligenz schafft die Basis für Vertrauen und einen konstruktiven Austausch.
3. Zur Bewältigung von Stress und Unsicherheit
Die Dynamik der neuen Arbeitswelt bringt häufig Unsicherheiten mit sich: schnelle Veränderungen, hohe Erwartungen oder unklare Rollenverteilungen. Wer seine Emotionen versteht und regulieren kann, bleibt auch in schwierigen Situationen handlungsfähig. EQ hilft, Stress zu bewältigen und Klarheit zu bewahren.
4. Zur Verbesserung der Führungsqualität
Führungskräfte mit hoher emotionaler Intelligenz inspirieren ihre Teams, lösen konstruktiv Konflikte und schaffen eine Unternehmenskultur, die auf Vertrauen und gegenseitigem Verständnis basiert. Sie erkennen die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden und fördern so ein positives Arbeitsklima.
Unternehmen, die emotionale Intelligenz gezielt fördern, profitieren langfristig von engagierteren Mitarbeitenden, besserer Teamarbeit und einer resilienteren Organisation. Das Ziel ist nicht nur, produktivere Teams und ein Umfeld zu schaffen, in dem Menschen langfristig gesund und zufrieden arbeiten können. Emotionale Intelligenz ist auch mehr als ein Soft Skill – sie ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg in der modernen Arbeitswelt. Sie stärkt die Zusammenarbeit, fördert Resilienz und befähigt sowohl Einzelpersonen als auch Teams, in einem dynamischen Umfeld zu bestehen.
Daniel Goleman: Emotionen als Motor des Handelns
Emotionen sind kein Hindernis, sondern ein Motor für effektives Handeln. Goleman erklärt, dass sie uns helfen, aus Erinnerungen zu lernen – zum Beispiel, wenn Schmerz uns davon abhält, Fehler zu wiederholen. Außerdem helfen sie uns, die Gefühle anderer zu deuten und ihre Handlungen vorherzusagen. Ein Beispiel: Ein angespannter Kollege mit geballten Fäusten signalisiert Ärger – wer das erkennt, kann Konflikte frühzeitig entschärfen.
Goleman untermauert dies auch mit Studien: Menschen mit hohem EQ sind erfolgreicher – sei es in der Schule, im Beruf oder im Privatleben. Ein berühmtes Beispiel ist die „Marshmallow Challenge“: Kinder, die ihren Impulsen widerstanden, zeigten später bessere schulische und soziale Leistungen. Auch im Berufsleben punkten emotional intelligente Führungskräfte mit Überzeugungskraft und Stressresistenz. Für New Work bedeutet das: Wer Emotionen steuern kann, bleibt in agilen Strukturen handlungsfähig und begeistert andere.
Doch es gibt auch eine Kehrseite. Wenn Emotionen zu intensiv werden, überfordern sie unser Denken. Goleman beschreibt, wie Angst uns Gefahren überschätzen lässt oder wie alte Erfahrungen uns in neuen Kontexten in die Irre führen können. Hier setzt EQ an: Es balanciert die Zusammenarbeit zwischen dem emotionalen und dem rationalen Gehirn aus. Funk betont, dass diese Balance im New Work, wo Selbstorganisation und Eigenverantwortung gefragt sind, unerlässlich ist. Ohne EQ könnten Teams ins Chaos oder in Konflikte abgleiten.
EQ stärkt aber nicht nur die Karriere, sondern auch die Gesundheit. Goleman zeigt, dass Stress das Herz belastet und das Immunsystem schwächt. Wer aber Ärger oder Angst reguliert, schützt sich vor diesen Folgen. Eine Studie belegt: Herzpatienten, die ihre Emotionen managten, senkten ihr Risiko für weitere Anfälle. In der neuen Arbeitswelt, wo Burnout droht, ist das ein unschätzbarer Vorteil.
Emotionale Intelligenz: Von „Soft Skill“ zur „Super Skill“
Ein Artikel auf Forbes bestätigt, dass EQ bis 2030 eine der Top-Kompetenzen für „Portfolio-Karrieren“ sein wird. Die gute Nachricht ist, dass EQ trainierbar ist. Zum Beispiel beginnt Selbstwahrnehmung damit, Gefühle zu benennen: „Ich bin frustriert, weil das Projekt stockt.“ Goleman schlägt Übungen wie innere Dialoge vor: „Warum bin ich wütend?“. Diese Klarheit hilft, mit Gefühlen umzugehen. Selbstregulation gelingt durch Perspektivenwechsel – statt sich über einen Fehler zu ärgern, kann man nach Lösungen suchen. Motivation wird gestärkt, wenn man Misserfolge als veränderbar ansieht: „Nächstes Mal mache ich es anders“. Positive Selbstmotivation entsteht, wenn man Misserfolge als Lernchance begreift. Einfühlungsvermögen wächst auch durch das Nachahmen von Körpersprache, wenn nonverbale Signale wie Körpersprache gelesen werden, und Beziehungen verbessern sich durch konstruktive Kritik.
“Sprich mit Kindern über ihre Gefühle, lob ihre Anstrengungen und bleibe konstruktiv. So fördert man nicht nur das eigene Wachstum, sondern auch das der nächsten Generation.” – Daniel Goleman
Ohne emotionale Intelligenz bleibt New Work eine Illusion
Emotionale Intelligenz ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Sie befähigt uns, in einer vernetzten und sich verändernden Arbeitswelt zu bestehen. Wer in der neuen Arbeitswelt erfolgreich sein will, muss lernen, Emotionen als strategische Ressource zu nutzen. Unternehmen, die emotionale Intelligenz als Kernkompetenz etablieren, profitieren nicht nur von besseren Geschäftsentscheidungen, sondern auch von motivierten und engagierten Mitarbeitern. Empathisch agierende Führungskräfte und offen kommunizierende Teams legen den Grundstein für Erfolg und Wohlbefinden.
Die Zukunft der Arbeit gehört denjenigen, die nicht nur mit Zahlen und Strategien, sondern auch mit Menschen umgehen können.
10 praktische Tipps, um Ihre emotionale Intelligenz zu trainieren
Emotionaler Intelligenz ist einen Soft Skill, also eine Fähigkeit, an der man aktiv arbeiten kann und sie lässt sich mithilfe des Emotionalen Quotienten (EQ) messen. Untersuchungen und verschiedene Studien haben gezeigt, dass der EQ – im Gegensatz zum IQ – kein festes Phänomen ist. Der EQ lässt sich durch gezielte Übungen steigern. Hier sind zehn Ansätze, die wir im Alltag oder Beruf anwenden können, um unseren Emotionalen Quotienten (EQ) zu steigern – inklusive Beispielen, die zeigen, wie es funktioniert. (Quelle: Haufe)
- Eigenen (Selbstreflexion) und fremde Emotionen beobachten
Wir erleben täglich ein Wechselbad der Gefühle, ohne uns dessen immer bewusst zu sein. Nimm Dir die Zeit, diese Emotionen bei Dir und anderen wahrzunehmen und ihre Ursachen zu erkennen. So kannst Du besser darauf reagieren. „Was stresst mich gerade?“ Was verunsichert mich gerade? Was hat diese Verunsicherung ausgelöst? Der erste Schritt zu mehr emotionaler Intelligenz ist, sich selbst und die eigenen Emotionen zu verstehen. - Emotionen bewusst steuern
Am Arbeitsplatz kommt es immer wieder zu herausfordernden Situationen, wie zum Beispiel hitzigen Diskussionen. Es geht nicht darum, Gefühle zu unterdrücken, sondern sie professionell auszudrücken. Zum Beispiel: Ein Kollege hat einen Fehler gemacht. Anstatt ihn zu beschuldigen oder laut zu werden, erkläre ihm ruhig, was Deiner Meinung nach schief gelaufen ist, und schlage eine Lösung vor – so bleibt die Atmosphäre konstruktiv. - Versetze Dich in die Lage anderer
Empathie ist eine Kernkomponente emotionaler Intelligenz. Sie ermöglicht es, die Perspektive anderer zu verstehen. Stell dir vor, dein Kollege ist gestresst. Emotionale Intelligenz hilft dir, seine Gereiztheit zu erkennen. Empathie geht noch einen Schritt weiter: Du überlegst, dass er gestresst ist, weil er sich unsicher fühlt. Du erinnerst dich daran, wie nervös du früher warst und schlägst gemeinsam mit ihm nach einer Lösung zu suchen. Dank EQ fragst du nach, anstatt ihn genervt zu kritisieren. Ohne Empathie wäre emotionale Intelligenz unvollständig. Empathie ist die Brücke zwischen dem eigenen Inneren und der Außenwelt. - Aktiv zuhören, bevor man spricht
Zuhören ist wichtiger als Reden. Zuhören zeigt Interesse und fördert das Verständnis. Reden teilt eigenen Gedanken und Absichten mit. Zuhören hingegen ermöglicht das Verständnis Bedürfnisse und Gefühle anderer und verhindert Missverständnisse. Ein Beispiel: Ein Kollege schildert ein Problem. Zuhören ermöglicht das Erkennen der wahren Ursache und verhindert ein falsches Reagieren. Zuhören signalisiert Wertschätzung. Ein Chef, der seine Mitarbeiter ausreden lässt, signalisiert Respekt.Wer zuhört, sammelt Informationen. „Wir haben zwei Ohren und einen Mund, damit wir doppelt so viel zuhören wie reden. - Zähle 21, 22, 23, bevor Du reagierst
Tief durchatmen und zählen! In emotional aufgeladenen Situationen kann es leicht passieren, dass man die Kontrolle verliert oder in eine „Schockstarre“ verfällt. Eine kurze Pause hilft, sich zu beruhigen, wieder klar zu denken und so Konflikte hier zu vermeiden. Beispiel: Ein Kunde beschwert sich lautstark. Statt verbal zurückzuschlagen, erst einmal tief durchatmen, innerlich bis fünf oder zehn zählen. Schon bist du ruhiger und kannst sachlich antworten. - Antworten statt reagieren
Reagieren ist impulsiv, antworten ist überlegt. Nimm Deine Gefühle wahr und entscheide bewusst, wie Du reagierst. Dein Vorgesetzter kritisiert zum Beispiel Deine Arbeit. Anstatt Dich sofort zu rechtfertigen, überlege kurz und frage nach konkreten Verbesserungsvorschlägen. Gute Tipps dazu gibt Jefferson Fisher auf seinem Instagram-Account oder in seinem Podcast. - Frage nach, wenn du unsicher bist
Niemand weiß alles und das ist auch gut so (jeder hätte gerne eine „eierlegende Wollmichsau“). Fragen zeigen, dass man bereit ist zu lernen und sich verbessern möchte. Unsicherheiten entstehen oft durch fehlende Informationen oder Missverständnisse. Mit gezielten Fragen kannst Du Klarheit schaffen. Wer aus Unsicherheit schweigt, läuft Gefahr, vermeidbar Fehler zu begehen. Fragen helfen, Erwartungen und Abläufe besser zu verstehen. Fragen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern von Engagement und Professionalität. - Entschuldige Dich für Deine Fehler
Fehler einzugestehen ist wichtig, um persönlich und beruflich zu wachsen. Eine direkte Entschuldigung zeigt Größe und schafft Vertrauen. Perfektion ist nicht menschlich, Authentizität jedoch schon. Du hast zum Beispiel eine Deadline übersehen. Ein „Es tut mir leid, das war mein Fehler. Wie können wir es aufholen?“ nimmt sofort den Ärger aus der Situation. Wer offen mit Fehlern umgeht, beweist Integrität und Verantwortungsbewusstsein. Auch andere brauchen das Gefühl, Fehler machen zu dürfen, ohne dafür verurteilt zu werden. - Ein positives Arbeitsumfeld fördern
Die Förderung eines positiven Arbeitsumfelds ist entscheidend für Motivation, Zusammenarbeit und Wohlbefinden. Schaffe einen Raum, in dem jeder seine Gedanken äußern kann, ohne Angst vor Kritik zu haben: “Ich möchte eure Meinung hören – was denkt ihr? Oder bei Problemen Verständnis zeigen und fragen: “Was ist passiert und wie kann ich helfen? Das schafft Vertrauen. Ein positives Umfeld entsteht durch Respekt, Empathie und bewusste Interaktion. - Gute Leistungen loben
Lob motiviert und zeigt Wertschätzung. Regelmäßiges Anerkennen fördert Engagement und bessere Ergebnisse. Lob andere für ihre Beiträge, egal ob groß oder klein. Zeige Deine Wertschätzung, wenn ein Kollege seine Arbeit gut macht, „Deine Präsentation war wirklich überzeugend – tolle Arbeit“ oder „Dein Vorschlag hat uns wirklich weitergebracht – danke, dass du ihn eingebracht hast“. Es braucht kein großes Budget, aber Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, andere zu stärken.
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