Macht meine Arbeit mich glücklich?
Macht meine Arbeit mich glücklich?

Macht meine Arbeit mich glücklich?

Heute ist Welttag des Glücks, ein Tag, der uns einlädt, über das nachzudenken, was uns wirklich, wirklich erfüllt. Arbeit ist für viele von uns ein zentraler Lebensbestandteil, doch macht sie uns auch glücklich? Anlässlich des aktuellen World Happiness Report 2025, der sich mit „Caring and Sharing“ beschäftigt, und inspiriert von Denkern wie Aristoteles, Karl Marx und Bertrand Russell, möchte ich dieser Frage nachgehen. Was hat Arbeit mit Glück zu tun – und wie können wir sie in einer Welt des „New Work“ so gestalten, dass sie mehr ist als nur ein Mittel zum Zweck?

Arbeit: Notwendigkeit oder Quelle der Freude?

Arbeit begleitet die Menschheit seit jeher. Sie sichert unser Überleben – Nahrung, Unterkunft, Sicherheit. Doch reicht das aus, um sie als Glücksquelle zu sehen? Schon die alten Philosophen hatten dazu klare Meinungen. Aristoteles etwa, der griechische Denker aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., war überzeugt: „Nein, wer arbeiten muss, ist nicht frei.“ Für ihn war bezahlte Arbeit, besonders körperliche, ein Hindernis auf dem Weg zur Glückseligkeit (Eudaimonie). Sie sei ein Zwang, der den Geist „unfrei und unterwürfig“ mache, weil sie nicht um ihrer selbst willen geschieht, sondern nur als Mittel zum Zweck. Wahres Glück finde sich in der Muße, in der freien Zeit, in der wir Tugend und Selbstverwirklichung suchen können. Würde Aristoteles heute leben, wäre er wohl ein Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens – eine Idee, die im Kontext von New Work immer wieder auftaucht, um Arbeit von Existenzängsten zu entkoppeln.

Karl Marx, gut 2000 Jahre später, sah das differenzierter. Für ihn hing alles von den Verhältnissen ab. In kapitalistischen Gesellschaften sei Lohnarbeit eine Quelle von Unglück und Entfremdung: Der Mensch werde von der Natur, von seiner Kreativität und den Früchten seiner Arbeit getrennt. Doch Arbeit an sich sei kein Übel – im Gegenteil. In ihrer ursprünglichen Form sei sie ein essenzielles Merkmal des Menschseins, ein Weg zur Selbstverwirklichung. Marx träumte von einer Gesellschaft, in der Arbeit nicht Zwang, sondern schöpferische Entfaltung bedeutet. Seine Ideen klingen heute nach, wenn wir über Sinnsuche in der Arbeit oder die Überwindung von Ausbeutung sprechen – Themen, die in der New Work-Bewegung eine große Rolle spielen.

Bertrand Russell schließlich, der britische Philosoph des 20. Jahrhunderts, brachte eine pragmatische Perspektive ein: „Ja, mit der richtigen Einstellung.“ In seinem Buch Eroberung des Glücks betonte er, dass Arbeit erfüllend sein kann, wenn sie drei Dinge bietet: ein echtes Interesse am Inhalt, ein gutes Gleichgewicht zu Freizeit und ein gesundes Maß an Selbstachtung. Wichtig sei jedoch, sich nicht zu sehr von äußerem Erfolg oder Anerkennung abhängig zu machen. „Ohne Streben nach allgemeinem Beifall“ könne Arbeit Freude bereiten, schrieb er. Russell lädt uns ein, Arbeit leicht zu nehmen – eine Haltung, die in Zeiten von Burnout und Leistungsdruck erstaunlich modern wirkt.

World Happiness Report 2025: Arbeit im Kontext von Glück

Was sagt nun der World Happiness Report 2025 dazu? Der Report, veröffentlicht am heutigen Welttag des Glücks, fokussiert sich auf „Caring and Sharing“ – Fürsorge und Teilen – und zeigt, wie stark unser Wohlbefinden von sozialen Verbindungen abhängt. Arbeit wird nicht explizit als Hauptthema behandelt, doch einige Erkenntnisse lassen sich darauf übertragen. So betont der Report, dass gemeinsames Essen das Wohlbefinden steigert – ein Hinweis darauf, dass soziale Interaktionen, auch am Arbeitsplatz, glücklich machen können. In den USA etwa, wo das Allein-Essen in den letzten 20 Jahren um 53 % gestiegen ist, sinkt die Lebenszufriedenheit. Könnte mehr Gemeinschaft in der Arbeitswelt – etwa durch Teamlunches oder Kollaboration – ein Gegenmittel sein?

Der Report zeigt zudem, dass prosoziales Verhalten wie Helfen oder Spenden nicht nur den Empfängern, sondern auch den Gebenden Glück bringt. Übertragen auf die Arbeit könnte das bedeuten: Wenn unsere Tätigkeit einen positiven Beitrag leistet – sei es für Kollegen, Kunden oder die Gesellschaft – steigt unser Wohlbefinden. Das passt zu Russells Idee, dass Arbeit Sinn braucht, und zu Marx’ Vision von Arbeit als Selbstverwirklichung. Interessant ist auch die Feststellung, dass Menschen die Freundlichkeit anderer unterschätzen. In Experimenten wurden verlorene Geldbörsen doppelt so oft zurückgegeben, wie erwartet. Vielleicht könnten wir im Arbeitskontext mehr Vertrauen wagen – zu Kollegen, Chefs oder Projekten –, um das Glückspotenzial zu heben.

Ein weiterer Punkt, den der Report hervorhebt, dass Haushaltsgröße und Familienbande die Lebenszufriedenheit beeinflussen. Menschen, die allein leben, sind weniger glücklich als jene, die mit anderen zusammenleben – bis zu einem Optimum von vier Personen. Das könnte ein Argument für hybride Arbeitsmodelle sein: Wer im Homeoffice isoliert ist, verliert womöglich an Wohlbefinden, während Büroarbeit soziale Nähe fördert. New Work steht hier vor der Herausforderung, Flexibilität und Gemeinschaft zu balancieren.

Arbeit und Glück: Eine moderne Perspektive

Die drei Denker und der Report deuten an: Arbeit kann glücklich machen – oder auch nicht. Es hängt davon ab, wie wir sie gestalten und wahrnehmen. In der New Work-Bewegung geht es genau darum: Arbeit soll flexibler, sinnstiftender und weniger hierarchisch sein. Doch was bedeutet das konkret?

Nehmen wir Aristoteles’ Skepsis: Wenn Arbeit nur Mittel zum Zweck ist, bleibt sie eine Bürde. Viele Menschen arbeiten heute in Jobs, die sie als stumpf oder überflüssig empfinden – sogenannte „Bullshit Jobs“, wie der Anthropologe David Graeber sie nannte. Laut einer Gallup-Studie von 2023 fühlen sich weltweit nur 23 % der Arbeitnehmer wirklich engagiert bei der Arbeit. Das spricht für Aristoteles’ Idee, Erfüllung außerhalb der Arbeit zu suchen – etwa durch Hobbys, Beziehungen oder Bildung. Doch in einer Welt, in der Arbeit oft 40 Stunden oder mehr pro Woche beansprucht, ist das leichter gesagt als getan. Hier könnte ein Ansatz wie das bedingungslose Grundeinkommen helfen, den Druck zu nehmen und Freiräume zu schaffen.

Marx’ Fokus auf die Verhältnisse fordert uns heraus, die Strukturen zu hinterfragen. In vielen Branchen ist Arbeit nach wie vor entfremdend: repetitive Aufgaben, wenig Einfluss, kein Bezug zum Ergebnis. Doch es gibt Gegenbeispiele. In selbstorganisierten Teams oder Purpose-getriebenen Unternehmen – ein Kern von New Work – berichten Mitarbeitende häufiger von Zufriedenheit. Eine Studie der Universität Oxford (2021) zeigt, dass Arbeitnehmer, die Mitbestimmung erleben, um 15 % höhere Lebenszufriedenheit angeben. Arbeit wird hier zur Plattform für Kreativität, wie Marx es sich erhoffte.

Russell wiederum lenkt den Blick auf die innere Haltung. In einer Umfrage des World Happiness Reports (Kapitel 5) wurde deutlich: Junge Erwachsene, die ihre Peers als empathisch wahrnehmen, sind glücklicher und sozial aktiver. Übertragen auf die Arbeit heißt das: Eine Kultur der Wertschätzung und des „Caring“ – sei es durch Feedback, Teamgeist oder Sinn – macht einen Unterschied. Russell würde uns raten, nicht nach Perfektion zu streben, sondern die kleinen Freuden im Arbeitsalltag zu suchen: ein gelungenes Projekt, ein nettes Gespräch, ein Moment der Ruhe.

New Work: Ein Weg zu mehr Glück?

Die New Work-Bewegung verspricht, Arbeit neu zu denken – weg von starren Strukturen, hin zu Flexibilität und Sinn. Doch birgt sie auch Risiken. Homeoffice und Digitalisierung bieten Freiheit, können aber Einsamkeit fördern, wie der Report andeutet. Die ständige Erreichbarkeit droht, Russells Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu kippen. Und die Betonung auf Selbstverantwortung könnte Marx’ Kritik an entfremdender Arbeit verstärken, wenn sie in Überforderung mündet.

Dennoch liegt in New Work ein enormes Potenzial. Unternehmen, die auf Purpose, Gemeinschaft und Autonomie setzen, schaffen oft glücklichere Teams. Der World Happiness Report zeigt: Länder mit hohem Vertrauen und sozialer Unterstützung – wie Finnland (Platz 1, Score 7,736) – haben nicht nur glückliche Bürger, sondern auch produktive Arbeitskulturen. Vielleicht ist das der Schlüssel: Arbeit, die nicht nur bezahlt, sondern verbindet, Sinn stiftet und Freiraum lässt.

Mein Fazit: Arbeit als Wahl, nicht als Zwang

Macht Arbeit glücklich? Ja und nein. Aristoteles mahnt uns, sie nicht zu überschätzen. Marx fordert bessere Bedingungen. Russell ruft zur Gelassenheit auf. Der World Happiness Report 2025 ergänzt: Glück entsteht durch Beziehungen und Fürsorge – auch in der Arbeit. Für mich persönlich heißt das: Arbeit kann erfüllen, wenn sie freiwillig ist, einen Beitrag leistet und mich nicht auffrisst. New Work bietet Werkzeuge, das zu erreichen – von flexiblen Modellen bis hin zu einem neuen Verständnis von Erfolg.

Am Welttag des Glücks lade ich dich ein, deine Arbeit zu reflektieren: Was gibt dir Energie? Was raubt sie dir? Vielleicht liegt das Glück nicht darin, mehr zu arbeiten, sondern bewusster – mit anderen, für andere und für dich selbst.


 

Foto von Brooke Cagle auf Unsplash