Willkommen zum 5. Teil unserer Artikelserie “21 Tage New Work”! Begonnen haben wir in Teil 1 mit der Geschichte der Arbeit und beleuchteten, wie sich ihre Bedeutung über die Jahrhunderte wandelte. Anschließend stellte Teil 2 die Ideen von Frithjof Bergmann vor – den Vordenker von “Neue Arbeit, Neue Kultur”. In Teil 3 tauchten wir in Arbeit 4.0 und die digitale Transformation ein, während Teil 4 die “Inner Development Goals” ins Rampenlicht rückte. Nun wenden wir uns in Teil 5 und dem kommenden Teil 6 einem zentralen Thema zu: New Leadership. Erfahren Sie, wie neue Formen der Führung die Arbeitswelt von morgen prägen!
Homo oeconomicus und das ökonomische Prinzip
Das ökonomische Prinzip bildet die Grundlage für effizientes Wirtschaften. Es zielt darauf ab, das Verhältnis zwischen Produktionsergebnis (Output) und Produktionseinsatz (Input) zu optimieren. Dabei steht immer die Frage im Vordergrund: Wie erreichen wir maximale Ergebnisse mit den verfügbaren Mitteln? Dieses Prinzip stützt sich auf drei klare Unterprinzipien, die den Umgang mit Ressourcen präzise definieren.
- Maximalprinzip: Mit einem festen Budget oder begrenzten Mitteln streben wir den größtmöglichen Ertrag an.
- Minimalprinzip: Wir verfolgen ein festgelegtes Ziel und setzen dafür so wenig Aufwand wie möglich ein.
- Optimumprinzip: Hier suchen wir das ideale Gleichgewicht zwischen Input und Output, etwa durch Gewinnmaximierung als Differenz zwischen Ertrag und Kosten.

Diese Prinzipien lenken nicht nur Unternehmen, sondern auch ein theoretisches Modell: den Homo oeconomicus. Doch wer ist dieser “wirtschaftliche Mensch” eigentlich?
Der Homo oeconomicus: Ein rationales Wesen
Der Homo oeconomicus beschreibt den Menschen als rationales, nutzenmaximierendes Individuum. Während die Evolution Begriffe wie Homo erectus (der aufrechte Mensch) oder Homo sapiens (der wissende Mensch) prägte, handelt es sich beim Homo oeconomicus nicht um eine biologische Kategorie. Vielmehr schufen Wissenschaftler dieses Konzept, um menschliches Verhalten in wirtschaftlichen Kontexten zu erklären. Folglich folgt sein Handeln strikt dem ökonomischen Prinzip. Emotionen, Modetrends oder Werbung lassen ihn kalt – er fokussiert sich ausschließlich auf Effizienz und Nutzen.
Zwei zentrale Annahmen prägen sein Verhalten:
- Eigeninteresse: Als Konsument jagt er dem maximalen Nutzen hinterher, als Produzent dem höchsten Gewinn.
- Rationalität: Er wägt Kosten und Nutzen sorgfältig ab, stützt sich auf vollständige Informationen und trifft dann seine Entscheidungen.
So agiert der Homo oeconomicus wie ein perfekter Rechner, der stets die optimalen Mittel für seine Ziele wählt.

Anwendung im Unternehmensalltag
Im unternehmerischen Kontext wendet der Homo oeconomicus das ökonomische Prinzip konsequent an. Als Produzent entscheidet er sich etwa für Methoden, die entweder den Output maximieren oder den Input minimieren – je nach Situation greift er auf das Maximal- oder Minimalprinzip zurück. Als Konsument hingegen wählt er Produkte oder Dienstleistungen, die ihm bei geringstem Aufwand den größten Nutzen bringen. Kurz gesagt: Er optimiert, wo immer es geht.
Grenzen des Modells
Trotz seiner klaren Logik stößt das Konzept in der Praxis auf Kritik. Warum? Weil es die Komplexität menschlichen Handelns vereinfacht. Emotionen, soziale Einflüsse oder unvollständige Informationen spielen im echten Leben oft eine Rolle – Aspekte, die der Homo oeconomicus ignoriert. Dennoch bietet das Modell eine wertvolle Basis, um wirtschaftliche Entscheidungen zu verstehen und zu hinterfragen.
Der Homo oeconomicus zeigt, wie rationales Handeln und das ökonomische Prinzip die Grundlage für effizientes Wirtschaften bilden. Doch wie wenden Unternehmer diese Prinzipien im komplexen Gefüge eines marktwirtschaftlichen Systems an? Genau hier setzen moderne Theorien der Unternehmensführung an. In den letzten Jahrzehnten haben sich vielseitige Ansätze entwickelt, die Führungskräfte dabei unterstützen, Organisationen erfolgreich zu steuern. Werfen wir einen Blick auf die Evolution dieser Konzepte werfen – von klassischen Ideen bis hin zu ganzheitlichen Strategien.
Unternehmerisches Handeln im marktwirtschaftlichen System

Über die Jahrzehnte hinweg haben sich zahlreiche Theorien zur Unternehmensführung herausgebildet. In der Sozialpsychologie gilt Führung als sozialer Prozess, der darauf abzielt, eine Gruppe gezielt auf ein gemeinsames Ziel auszurichten. Dabei fördern gute Führungskräfte Motivation und steigern die Effizienz ihrer Teams. Kurz gesagt: Führung bedeutet, Einfluss aktiv zu gestalten. Von Adam Smith bis heute haben verschiedene Ansätze die Art und Weise geprägt, wie wir Unternehmensführung verstehen und anwenden. Hier sind einige der bedeutendsten Ansätze:
1. Klassische ökonomische Führung (Adam Smith)
Bereits 1776 legte Adam Smith mit seinen wirtschaftstheoretischen Ideen den Grundstein für moderne Führungskonzepte. Er betonte, dass Strategien nicht nur dem individuellen Erfolg dienen sollten, sondern auch dem Gemeinwohl. Heute spiegelt sich dies in der Unternehmensführung wider, etwa durch Corporate Social Responsibility (CSR). Gute Führungskräfte finden hier eine Balance zwischen wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlicher Verantwortung.
2. Evolutionäre Führung (Darwin-inspiriert)
Inspiriert von Charles Darwin entwickelte Paul Lawrence die “Renewed Darwinian Theory”. Er identifizierte vier grundlegende Antriebe menschlichen Verhaltens:
- Erwerb: Der Drang nach Ressourcen, Status und Besitz.
- Verteidigung: Das Bedürfnis, Erreichtes zu schützen.
- Verstehen: Neugier und der Wunsch, die Welt zu begreifen.
- Verbinden: Der Antrieb, soziale Beziehungen aufzubauen.
Diese Antriebe beeinflussen Entscheidungen und Führungsverhalten dynamisch. Lawrence hob hervor, dass Vertrauen und Kooperation in Organisationen entscheidend sind, während soziopathische Führungskräfte langfristig schaden.
3. Systemorientierte Führung
Systemische Ansätze, beeinflusst durch Denker wie Forrester (1961), Ulrich (1970) und Luhmann (1984), betrachten Führung ganzheitlich. Führungskräfte überschreiten traditionelle Grenzen, fördern Zusammenarbeit und treffen Entscheidungen mit Blick auf das gesamte System. Niklas Luhmann definierte Führung als “sozial generalisierten Einfluss”, der vom Zusammenspiel zwischen Führenden und Geführten lebt. Erfolgreiche systemische Führung erfordert:
- Spannungen auszuhalten und auszugleichen,
- kontinuierlichen Dialog zu pflegen.
Dieser Ansatz nutzt Co-Creation, um innovative Lösungen zu entwickeln.
4. Institutionelle Führung
Institutionelle Führung konzentriert sich auf die Nachhaltigkeit von Organisationen. Klare Kommunikation, durchdachte Anreize und eine langfristige Strategie stehen im Mittelpunkt. Die Prinzipal-Agent-Theorie von Jensen und Meckling (1976) erklärt Konflikte zwischen Führungskräften (Prinzipalen) und Mitarbeitenden (Agenten), etwa durch Informationsasymmetrien. Sie zeigt, warum Vertrauen und Kommunikation oft wichtiger sind als rein ökonomische Steuerung.
5. Umweltorientierte Führung
Mit wachsendem Umweltbewusstsein gewinnt dieser Ansatz an Bedeutung. Umweltbewusste Führungskräfte setzen auf nachhaltige Innovationen und ressourcenschonende Strategien. Michael Porter, Harvard-Professor, gilt als Vorreiter dieses Denkens. Sie fördern proaktiv grüne Lösungen und verknüpfen ökologische mit wirtschaftlichen Zielen.
6. Entscheidungsorientierte Führung
Dieser Ansatz fokussiert die Entscheidungsstile von Führungskräften: entscheidungsfreudig, flexibel, hierarchisch oder integrativ. Erfolgreiche Leader passen ihren Stil situativ an. Die Spieltheorie von Neumann und Morgenstern (1944) bietet hier ein starkes Fundament. Sie definieren Strategie als “vollständigen Plan für jede mögliche Situation”. Führungskräfte müssen vorausschauend planen, Flexibilität zeigen und komplexe Szenarien meistern.
Einfluss auf die moderne Führung
Diese Theorien prägen nachhaltig, wie wir Unternehmensführung heute verstehen. Moderne Führungskräfte kombinieren Elemente aus verschiedenen Ansätzen, um flexibel auf Herausforderungen zu reagieren. So führen sie ihre Teams und Organisationen erfolgreich in eine dynamische Zukunft.
Leadership ist ein Verhalten, das Menschen Zukunftsvisionen zeigt und sie dazu inspiriert, diese entgegen aller Widerstände zu verfolgen. Dabei geht es um positiv besetzte Visionen, die über rein finanzielle Aspekte hinaus Bestand haben. Zudem müssen die Visionen mit Werten und Überzeugungen gefüllt und durch das eigene Handeln vorgelebt werden. (John P. Kotter, Professor für Führungsmanagement an der Harvard Business School)
Die Entwicklung der Führungstheorien – von Adam Smiths klassischen Ansätzen bis hin zu modernen Konzepten wie New Leadership – zeigt, wie facettenreich die Steuerung von Organisationen sein kann. Doch Theorien allein reichen nicht aus, um die Arbeitswelt von morgen zu gestalten. Entscheidend ist, wie Führungskräfte diese Ideen in die Praxis umsetzen. Genau hier setzt Leadership an: Es geht nicht nur ums Führen, sondern ums Inspirieren und Mitreißen. Schauen wir uns an, was Leadership heute wirklich ausmacht.
Leadership ist mehr als nur Führung
Was unterscheidet Management, Führung und Leadership? Diese Begriffe werden oft synonym verwendet, doch sie tragen unterschiedliche Bedeutungen – und genau hier liegt der Schlüssel zu moderner Unternehmensführung.
- Management: Dies beschreibt die zielgerichtete Steuerung von Prozessen, sei es in einer Organisation oder im Selbstmanagement. Es geht darum, klar definierte Ziele effizient zu erreichen.
- Führung: Hier steht das gezielte Beeinflussen von Menschen im Fokus, um sie auf ein gemeinsames Ziel auszurichten – klassische Mitarbeiterführung eben.
- Leadership: Leadership hebt sich ab. Es inspiriert, begeistert und motiviert Menschen dazu, außergewöhnliche Ergebnisse erreichen zu wollen. Es ist Purpose-getrieben und zielt auf echte innere Antriebe ab.

Leadership ist somit ein Verhalten, das Menschen mitreißt. Es zeigt Zukunftsvisionen auf und ermutigt dazu, diese trotz Widerständen zu verfolgen. Dabei reicht es nicht, nur finanzielle Ziele zu setzen. Visionen müssen mit Werten und Überzeugungen gefüllt sein – und Führungskräfte leben diese aktiv vor. John P. Kotter, Professor für Führungsmanagement an der Harvard Business School, betonte: Wahre Leader schaffen Sinn, der über Zahlen hinausgeht.
Old Leadership vs. New Leadership
Nur 48 % der Beschäftigten in Deutschland sind laut einer aktuellen Studie voll motiviert. Vier von zehn denken sogar über einen Jobwechsel nach. Was macht den Unterschied? Die Qualität der Führung! Deshalb stellt sich die Frage: Wie schaffen wir mit moderner Führung echte Motivation und langfristige Bindung? Schauen wir uns zunächst die Unterschiede zwischen Old Leadership und New Leadership an.
Die alte Schule: Old Leadership
Klassische Führung entstand mit der Industrialisierung um 1800 und teilt die Arbeitswelt in zwei Lager:
- Führungskräfte: Sie geben das Kommando, kontrollieren und treffen Entscheidungen.
- Arbeitnehmer*innen: Sie nehmen Aufgaben entgegen und setzen sie als Befehlsempfänger*innen um.
Old Leadership orientiert sich stark an traditionellen Managementprinzipien: Top-Down-Entscheidungen, Kontrolle und Effizienzsteigerung stehen im Vordergrund. Hierarchische Strukturen und lineare Karrierepfade prägen dieses Modell. Zwar haben Technologie und Digitalisierung die Arbeitsweise verändert, doch viele Unternehmen klammern sich an alte Entscheidungshierarchien. Das Problem? In Zeiten von New Work und Arbeit 4.0 verliert dieser Ansatz an Attraktivität – und damit auch die Fähigkeit, Talente zu halten.
Die neue Ära: New Leadership
Im Gegensatz dazu stellt New Leadership die Menschen und die Sinnhaftigkeit der Arbeit in den Mittelpunkt. Es bricht mit starren Strukturen und setzt auf:
- Beziehungsorientierte Führung statt Befehle,
- Empowerment und Vertrauen statt Kontrolle,
- agile, adaptive Strukturen statt Hierarchien,
- Entwicklung und Selbstverwirklichung statt festen Karrierewegen.
Dieser Paradigmenwechsel ist essenziell, um Unternehmen zukunftsfähig zu machen und Mitarbeitende langfristig zu binden.
Der Homo oeconomicus und das ökonomische Prinzip zeigen, wie rationales Denken Effizienz und Nutzenmaximierung in den Fokus rückt – ein Modell, das bis heute Unternehmensentscheidungen prägt, auch wenn es die Komplexität menschlichen Handelns vereinfacht. Über die Jahrzehnte haben Theorien zur Unternehmensführung diesen Ansatz erweitert: Von Adam Smiths Gemeinwohl-Idee über systemische Ansätze bis hin zu nachhaltigen Strategien bieten sie vielseitige Werkzeuge, um Organisationen zu leiten. Leadership schließlich hebt Führung auf eine neue Ebene – es inspiriert und motiviert, indem es Menschen mit Sinn und Visionen verbindet. Zusammen bilden diese Perspektiven die Grundlage für eine moderne Arbeitswelt, die Effizienz, Menschlichkeit und Zukunftsorientierung vereint.
Schauen wir uns in einem nächsten Artikel an, was die Schlüsselprizipien und wichtigen New Leadership Skills in Zeiten von New Work prägen.
Hier finden Sie weitere Beiträge zu unserer mehrteiligen Artikelserien zu “New Work”
Teil 9: Teamwork als zentraler Zukunftsmotor von New Work
Teil 8: Making Money 4.0 – sinnvolles Wirtschaften in einer digitalisierten Welt
Teil 7: Wissensmanagement im Unternehmen als Schlüssel zum Erfolg
Teil 6: New Leadership & People Empowerment
Teil 5: New Leadership – Führung für eine neue Arbeitswelt
Teil 4: Inner Development Goals als Schlüssel für die Zukunft der Arbeit
Teil 3: Arbeit 4.0 – Digitale Transformation und agile Arbeitsformen
Teil 2: Frithjof Bergmann und das Konzept der “Neuen Arbeit”
Teil 1: Die Geschichte der Arbeit – Vom Überlebenskampf zur Sinnsuche
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