Teil 9: Teamwork als zentraler Zukunftsmotor von New Work
Teil 9: Teamwork als zentraler Zukunftsmotor von New Work

Teil 9: Teamwork als zentraler Zukunftsmotor von New Work

Was passiert, wenn nicht mehr einzelne Genies gefragt sind, sondern kollektive Intelligenz? Wenn es nicht mehr reicht, dass Menschen nebeneinander arbeiten – sondern wirklich miteinander? Und was, wenn der Druck, sich ständig neu zu erfinden, nicht nur Organisationen betrifft, sondern auch die Art und Weise, wie wir uns im Team begegnen?

In einer Zeit, die von Unsicherheit, Komplexität und ständigem Wandel geprägt ist – oft beschrieben als VUCA– oder BANI-Welt beschrieben – reicht es nicht mehr aus, dass Teams „funktionieren“. Sie müssen leisten, sich selbst organisieren, sich immer wieder neu ausrichten. Und dabei menschlich, belastbar und kreativ bleiben. Teamarbeit wird damit zum zentralen Hebel der Zukunftsgestaltung.

Doch Team ist nicht gleich Team. Dieser Artikel beleuchtet, warum erfolgreiche Teamentwicklung in der modernen Arbeitswelt entscheidend ist, warum Teams der eigentliche Zukunftsmotor von New Work sind – und wie man sie gezielt entwickelt.

Zahnräder im Wandel – Warum Teamentwicklung heute anders funktioniert

Früher wurden Teams oft wie Maschinen zusammengesetzt: Abteilungen arbeiteten getrennt voneinander, Teamrollen waren durch Hierarchien definiert. Führung war Anweisung. Teamgeist – ein Nice-to-have. Doch mit dem Aufkommen der New Work-Philosophie, insbesondere durch Vordenker wie Frithjof Bergmann, wandelte sich dieses Bild grundlegend. Mitarbeitende sind heute besser qualifiziert, vielfältiger in ihren Kompetenzen und individueller in ihren Bedürfnissen. Diese Entwicklung verändert nicht nur die Anforderungen an Führungskräfte, sondern auch die Art und Weise, wie Teams gebildet, entwickelt und motiviert werden. Teamarbeit ist kein statisches Konzept mehr, das am Reißbrett entworfen wird, sondern ein dynamischer Prozess, bei dem Innovation, Anpassungsfähigkeit und Leistung im Mittelpunkt stehen. Nicht mehr die Struktur, sondern die Beziehung wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor.

Erfolgreiche Teamentwicklung als Schlüssel zum Erfolg

Die Frage ist nicht mehr: „Wie passen die Leute ins Organigramm?“, sondern: „Wie ergänzen sich Persönlichkeiten, Kompetenzen und Motivationen?“ Dabei wird Teamentwicklung zu einem aktiven, iterativen Prozess:

  • Ziele klären: Wofür existiert dieses Team?

  • Rollen verstehen: Wer bringt was mit?

  • Vertrauen aufbauen: Wie sicher fühlen sich die Einzelnen im Miteinander?

  • Reflektieren & lernen: Wie gehen wir mit Konflikten, Feedback und Wandel um?

Ziele einer Teamentwicklung

Teams entwickeln sich nicht linear – aber mit Struktur und Methode. Zwei Modelle helfen dabei besonders: Belbins Teamrollen und Tuckmans Teamentwicklungsphasen.

Kompass im Team – Belbin zum Rollenverständnis

Der britische Forscher Dr. Meredith Belbin hat bereits in den 1980er Jahren erkannt, dass erfolgreiche Teams nicht dadurch entstehen, dass man die fähigsten Personen zusammenwirft – sondern die richtigen. Dr. Meredith Belbin, Professor und Pionier der Teamforschung, betonte: „Simply putting together a number of people and expecting them to work as a team is not enough.“ In seinen Studien am Henley College identifizierte er neun Teamrollen, die idealerweise in einem Hochleistungsteam vertreten sind. Diese Rollen lassen sich in drei Cluster einteilen: kommunikationsorientierte, wissensorientierte und handlungsorientierte Rollen. Jede Rolle bringt spezifische Stärken und Schwächen mit, die im Zusammenspiel ein Team zum optimalen Leistungsteam machen können.

1. Handlungsorientierte Rollen

  • Macher (Shaper): Treibt voran, konfrontiert mit Herausforderungen

  • Umsetzer (Implementer): Verwandelt Pläne in konkrete Aufgaben

  • Perfektionist (Completer Finisher): Achtet auf Details, prüft Qualität

2. Kommunikationsorientierte Rollen

  • Koordinator (Coordinator): Moderiert, verteilt Aufgaben

  • Teamarbeiter (Team Worker): Sorgt für Harmonie, vermittelt

  • Wegbereiter (Resource Investigator): Sucht nach externen Impulsen

3. Wissensorientierte Rollen

  • Neuerer (Plant): Kreativer Ideengeber

  • Beobachter (Monitor Evaluator): Analytisch, wägt Optionen ab

  • Spezialist (Specialist): Bringt tiefes Fachwissen ein


Teamrollen nach Belbin

Belbins Grundidee: Menschen neigen dazu, 2–3 dieser Rollen zu bevorzugen. Es geht nicht darum, alle Rollen perfekt abzudecken – sondern sie im Team auszugleichen. Teams sollten sich bewusst machen: Wer trägt welche Stärke? Wo gibt es blinde Flecken?

“Simply putting together a number of people and expecting them to work as a team is not enough.” – Meredith Belbin

In der Praxis hilft das Belbin-Modell:

  • bei der Zusammenstellung neuer Teams

  • in Konfliktsituationen (z. B. wenn zwei Macher aufeinandertreffen)

  • bei der Selbstreflexion (Was ist meine Rolle? Welche fehlt?)

Die Teamrolle ist dabei kein Label, sondern ein situatives Verhalten. Man kann sie – wie einen Hut – situativ aufsetzen. Und manchmal auch wieder abgeben. Der Belbin Selbsteinschätzungsbogen für Teamrolle(n) steht auch online zur Verfügung.

Meine Testergebnisse zu den Teamrollen

In interdisziplinären „Mixed Teams“, wie sie Frithjof Bergmann propagiert, sind klare Abteilungsgrenzen aufgehoben. Stattdessen arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Präferenzen und Kompetenzen zusammen. Ein erfolgreiches Team braucht laut Belbin mindestens fünf dieser Rollen, wobei die genaue Zusammensetzung vom Ziel abhängt. Ein Team aus lauter Machern mag kurzfristig produktiv sein, wird aber langfristig an mangelnder Reflexion scheitern. Führungskräfte sollten daher bei der Teambildung bewusst auf eine ausgewogene Rollenverteilung achten. Ein Praxisbeispiel: Ein Start-up erkannte durch die Analyse, dass es an einem Beobachter mangelte. Nach der gezielten Integration einer analytischen Persönlichkeitsrolle verbesserte sich die Entscheidungsqualität deutlich.

Von einer Mitarbeitendengruppe zum Hochleistungsteam –  Entwicklungspasen nach Tuckman

Mindestens genauso wichtig wie Rollen ist der Blick auf den Entwicklungsprozess eines Teams. Während Belbin die Zusammensetzung eines Teams beleuchtet, beschreibt das Tuckman-Phasenmodell den dynamischen Entwicklungsprozess, den jedes Team durchläuft. Bruce Tuckman entwickelte 1965 die vier Phasen – Forming, Storming, Norming und Performing –, die später um die Phase Adjourning erweitert wurden. In einer VUCA- und BANI-Welt, in der Teams oft temporär oder agil zusammengestellt werden, bietet dieses Modell eine wertvolle Orientierung. Es umfasst vier Stufen:

1. Forming – Orientierung: Das Team findet sich. Die Mitglieder tasten sich ab. Unsicherheiten prägen das Miteinander. Führungskräfte geben Orientierung, klären Ziele, schaffen ein erstes Wir-Gefühl.

2. Storming – Konfrontation: Unterschiede werden sichtbar, Konflikte tauchen auf. Es geht um Macht, Einfluss, Deutungshoheit. Führungskräfte moderieren, schaffen Raum für Klärung und Feedback.

3. Norming – Struktur: Die Gruppe einigt sich auf Regeln, Rollen und Abläufe. Vertrauen wächst. Die Mitglieder erleben sich als funktionierende Einheit. Führung übernimmt den Rahmen, nicht mehr die Richtung.

4. Performing – Hochleistung: Das Team ist produktiv, selbstorganisiert, lernfähig. Führung tritt in den Hintergrund und wirkt eher unterstützend. Jetzt geht es um Feinschliff und das Halten der Performance.

Die Phasen sind nicht starr. Rückschritte sind möglich – etwa bei neuen Teammitgliedern. Wichtig ist, dass Führung bewusst mit diesen Dynamiken arbeitet. Reflexion, Feedback und Ritualisierung (z. B. regelmäßige Reviews) helfen, den Übergang zu fördern. In agilen Kontexten kann die Adjourning-Phase – die Auflösung des Teams – mit Reflexionsritualen wie „Lessons Learned“ gestaltet werden. Tuckmans Modell zeigt, dass Teamentwicklung kein linearer Prozess ist, sondern aktive Gestaltung erfordert. Führungskräfte müssen je nach Phase ihre Rolle anpassen – vom Orientierungsgeber zum Coach bis hin zum Delegierenden.

Die Entwicklungsphasen eines Teams nach Tuckman

Was Teams antreibt – Ein Blick auf Motivation

Teamarbeit ist nicht nur Struktur – sie ist auch Emotion. Wer Teams verstehen will, muss Motivation verstehen. Mehrere Motivationstheorien liefern wertvolle Impulse für die Praxis:

  • Maslows Bedürfnispyramide: Abraham Maslow stellte eine Hierarchie menschlicher Bedürfnisse vor, die von grundlegenden physiologischen Bedürfnissen bis hin zu Selbstverwirklichung reicht. Stell dir das wie eine Nahrungskette vor, aber für Bedürfnisse.
  • Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie: Frederick Herzberg identifizierte zwei Hauptfaktoren, die die Arbeitsmotivation beeinflussen: Hygienefaktoren (wie Gehalt und Arbeitsbedingungen), die Unzufriedenheit verhindern, und Motivatoren (wie Anerkennung und interessante Arbeit), die zur Zufriedenheit beitragen.
  • Vrooms Erwartungstheorie: Victor Vroom fokussierte sich darauf, wie individuelle Erwartungen die Motivation beeinflussen. Er argumentierte, dass Motivation das Produkt aus der Erwartung, dass Anstrengung zu Leistung führt, und dem Wert, den das Ergebnis für die Person hat, ist.
  • McClellands Bedürfnistheorie: David McClelland betonte drei primäre Bedürfnisse: Leistung, Zugehörigkeit und Macht. Jeder Mensch wird durch eine unterschiedliche Kombination dieser Bedürfnisse motiviert.
  • Adams’ Equity-Theorie: John Stacey Adams‘ Theorie basiert auf der Annahme, dass Mitarbeiter ihre eigene Input-Output-Ratio (wie Anstrengung und Belohnung) mit der von anderen vergleichen und nach Fairness streben.
  • Deci und Ryans Selbstbestimmungstheorie: Diese Theorie von Edward Deci und Richard Ryan besagt, dass Menschen durch drei angeborene und universelle Bedürfnisse motiviert sind: Kompetenz (sich wirksam zu fühlen), Autonomie (ein Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben) und soziale Eingebundenheit (das Gefühl, zu einer Gruppe zu gehören).
  • Lockes Zielsetzungstheorie: Nach Edwin Locke ist das Setzen von spezifischen und herausfordernden Zielen ein zentraler Antrieb für Motivation. Ziele helfen, Aufmerksamkeit zu fokussieren und Ausdauer zu fördern.
  • Banduras sozial-kognitive Theorie: Albert Bandura betont die Rolle des sozialen Lernens und der Selbstwirksamkeit bei der Motivation. Wir lernen durch Beobachtung anderer und werden durch das Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten motiviert.
  • Pink’s Drive-Theorie: Daniel Pink stellt in seiner Theorie drei Hauptantriebskräfte für Motivation in der modernen Arbeitswelt vor: Autonomie (die Kontrolle über das eigene Leben), Meisterschaft (das Streben, in etwas besser zu werden) und Sinn (das Bedürfnis, an etwas zu arbeiten, das größer ist als man selbst).

In der Praxis bedeutet das: Teams müssen nicht nur organisiert, sondern inspiriert werden. Motivation ist kein Zufall – sie ist gestaltbar.

„Talent gewinnt Spiele, aber Teamwork und Intelligenz gewinnen Meisterschaften“ – Michael Jordan, Basketball-Legende

Wenn der Motor stottert – Störfaktoren in der Teamentwicklung

Trotz aller Modelle und Theorien: Teamscheitern ist real. Drei Störfaktoren sind besonders verbreitet:

  • Wechselnde Teammitglieder: Kaum ist Vertrauen da, ist jemand weg. In agilen Strukturen erschwert ständiger Wechsel den Zusammenhalt. Iterative Prozesse können helfen, Kontinuität zu schaffen.Kontinuität wird zum Luxus. Aber auch Onboarding-Rituale und Wissenssicherung önnen hier Abhilfe schaffen.

  • Ständige Zieländerungen: In einer dynamischen Welt müssen Ziele regelmäßig angepasst werden, was Unsicherheit erzeugt. Klare Kommunikation ist hier essenziell, sonst verlieren Teams die Orientierung.

  • Lorbeerdiebe: Wenn Einzelne den Erfolg des Teams für sich reklamieren, sinkt der Teamgeist. Klare Werte und transparente Anerkennungskultur kann dies verhindern.

Ein vierter, subtiler Störfaktor ist fehlende Reflexion. Wer immer nur macht, aber nie innehält, riskiert langfristig Burn-out oder Zynismus.

„Niemand kann eine Sinfonie pfeifen. Es braucht ein ganzes Orchester, um sie zu spielen.“ (H.E. Luccock, Theologe und Professor) Foto: Freepik.com

Der Mensch im Zentrum der Transformation

Wir haben gesehen: Qualifizierte, individuelle Mitarbeitende verlangen nach flexiblen, sinnstiftenden Strukturen. Modelle wie Belbin und Tuckman bieten Führungskräften konkrete Werkzeuge, um Teams gezielt zu entwickeln und zu Höchstleistungen zu führen. Teams sind keine Selbstverständlichkeit. Sie sind soziale Systeme im Wandel, die Aufmerksamkeit, Struktur und Pflege brauchen. Wer New Work ernst meint, muss auch Teamwork neu denken – als Zukunftsmotor, nicht als Nebenbei-Phänomen.

“Ein gut funktionierendes Team ist wie ein Schwarm: wendig, intelligent und gemeinsam stärker als die Summe seiner Teile.”


Hier finden Sie weitere Beiträge zu unserer 21teiligen Artikelserien “New Work”

Teil 8: Making Money 4.0 – sinnvolles Wirtschaften in einer digitalisierten Welt
Teil 7: Wissensmanagement im Unternehmen als Schlüssel zum Erfolg
Teil 6: New Leadership & People Empowerment
Teil 5: New Leadership – Führung für eine neue Arbeitswelt
Teil 4: Inner Development Goals als Schlüssel für die Zukunft der Arbeit
Teil 3: Arbeit 4.0 – Digitale Transformation und agile Arbeitsformen
Teil 2: Frithjof Bergmann und das Konzept der “Neuen Arbeit”
Teil 1: Die Geschichte der Arbeit – Vom Überlebenskampf zur Sinnsuche